
Ostersonntag, 20. April 2025
Vor Zeit las ich, dass jemandem die Frage gestellt wurde: „Glauben Sie an das Böse?“ Seine Antwort: „Daran brauche ich nicht zu glauben. Ich erlebe es jeden Tag hautnah.“ Diese Antwort leuchtet uns unmittelbar ein. Denn wir erleben das Böse auch jeden Tag – vielleicht nicht hautnah, so doch durch die Nachrichten, die wir lesen und hören:
– von den mörderischen Kriegen in der Ukraine, im Nahen Osten, im Sudan,
– von den menschenverachtenden Praktiken der Schleuser, die für horrende Summen Menschen Plätze verkaufen auf seeuntauglichen Booten und auf LKW-Ladeflächen.
– Oder denken wir nur an die grauenerregenden Bilder und Berichte von den Folterkellern des gestürzten Assad-Regimes …
Wenn wir an all die Grausamkeiten denken, die Menschen anderen Menschen antun, so fällt esmitunter schwer sich vorzustellen, dass Menschen sich allein so etwas ausdenken kö nnen. Es beschleicht einen das Gefühl, hier sei eine zerstörerische Kraft am Werk, die das Maß dessen überschreitet, zu was Menschen allein imstande sind. „Glauben sie an das Böse? Daran brauche ich nicht zu glauben. Ich erlebe es jeden Tag hautnah.“ So ist es.
Gibt es denn eine positive Alternative dazu? Etwa in dem Sinn: „Glauben Sie an die Auferstehung? Ich brauche nicht an sie zu glauben. Ich erlebe sie jeden Tag hautnah.“ Was uns im Blick auf das Böse so naheliegend und einsichtig vorkommt, das fällt uns für die Auferstehung – das heißt für den Sieg des Guten, für den Sieg von Gewaltlosigkeit, Versöhnung und Liebe, mit einem Wort: für den Sieg Jesu schwer. Darin besteht auch das Handicap aller Osterpredigten: Ihre Botschaft erscheint uns wenig plausibel im Vergleich zu der Botschaft von Gewalt, Leid und Tod. Es ist wie immer im Alltag: Die guten Botschaften haben es gegen die schlechten Nachrichten schwer …
Aber gerade die Osterberichte kommen uns in dieser Zwickmühle zu Hilfe. Denn wenn sie stimmen, dann war der Glaube an die Auferstehung bei den Jüngern damals auch so gut wie nicht vorhanden.
Dabei hatte Jesus während seines Zusammenseins mit den Jüngern mehrfach davon gesprochen, hatte angekündigt, dass der Menschensohn von den Toten auferstehen werde. Der Evangelist Markus vermerkt an einer Stelle ausdrücklich, dass das Wort „Auferstehung“ die Jünger beschäftigte, und sie sich fragten, „was das sei: Von den Toten auferstehen“ (vgl. Mk 9,9f). Es ist also nicht verwunderlich, dass Maria von Magdala an jenem Morgen, als sie entdeckt, dass der Stein vom Grab weggenommen ist, denkt, der Leichnam Jesu sei weggeschafft, sei gestohlen oder beseitigt worden. Vom Osterglauben ist bei ihr offensichtlich keine Spur. Wäre es anders gewesen, hätte sie angesichts des leeren Grabes voller Freude sein und zu den Jüngern zurücklaufen müssen, um ihnen mitzuteilen, dass Jesus tatsächlich „auferstanden“ ist. Was für Maria von Magdala gilt, das gilt auch für die anderen. An erster Stelle steht bei den Osterzeugen nicht der Osterglaube, auf den dann die Ostererfahrung folgt. Es ist genau umgekehrt: Der Auferstandene gibt sich von sich aus den Jüngern zu sehen, er zeigt ihnen seine Lebendigkeit, und das bringt sie – erst nach manchem Zweifel – zu der Überzeugung, dass er von den Toten auferstanden ist. Der Glaube an die Auferstehung folgt im Neuen Testament der Erfahrung der Auferstehung. Wenn dem aber so ist, dann gibt es, liebe Schwestern und Brüder, tatsächlich das positive Gegenbeispiel zum tagtäglich erlebbaren Bösen. Dann gilt doch: „Ich brauche nicht an die Auferstehung zu glauben. Ich erlebe sie jeden Tag“.
Aber was heißt das für uns? Brauchen wir nicht mehr an die Auferstehung zu glauben? Sollen wir etwa nicht mehr die Auferstehung glauben? – Ja und Nein. Für die Antwort können wir uns an dem orientieren, was die Frauen und die Apostel damals getan haben: Sie haben nicht im eigentlichen Sinn an die Auferstehung geglaubt, aber sie haben Jesus die Gelegenheit gegeben, ihnen zu begegnen, ihnen seine Lebendigkeit zu zeigen. Sie haben nicht von ihm gelassen, auch wenn sie der Meinung waren, er sei tot und das Projekt „Reich Gottes“ sei zu Ende.
Sie sind nicht als Gläubige zum Grab gegangen, sondern aus menschlicher Verbundenheit, aus Trauer und Nostalgie. Denken wir nur an die Emmausjünger, die über Jesus sagen: Er war ein Prophet, mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk … Wir aber hatten gehofft … (Lk 24,19) Die Gefühle der Jünger von damals sind uns nicht unbekannt. Das heißt: Wir brauchen uns nicht dafür zu schämen, wenn wir im Blick auf den Glauben Zweifel haben. Wir brauchen uns nicht dafür zu schämen, wenn wir besseren Zeiten in der Kirche, in der Gesellschaft, in unserem eigenen
Leben nachtrauern. Entscheidend ist, dass wir nicht von Jesus lassen und von der Gemeinschaft, die er unter seinen Jüngerinnen und Jüngern gestiftet hat. Es sind von uns keine heroischen Glaubensakte erwartet, sondern die schlichte Treue, die nicht von Jesus lässt, nicht von ihm lassen will und ihm dadurch die Chance gibt, uns mit seiner Lebendigkeit zu überraschen.
Diese Lebendigkeit zeigt er damals wie heute oft auf unspektakuläre Weise. In der Regel sind es behutsam ausgestreute Hinweise, die er den Seinen gibt. Aber wer Augen und Ohren dafür hat, dem reichen sie:
– Bei Maria Magdalena war es ein Wort, ihr Name: „Maria“. Dieses Wort hat sie getroffen. Darin wusste sie sich angesprochen, angesehen und geliebt.
– Bei Johannes waren es die abgelegten und sorgfältig zusammengebundenen Tücher im Grab. Sie sagten ihm: Alles ist in Ordnung. Es ist gut.
– Bei den Emmausjüngern war es die neue, positive Unruhe, die Jesus in ihren Herzen weckte, um ihn zum Bleiben zu drängen.
Was ist es bei mir?